Training für optimales Kraftwachstum

Beinahe jeder kennt eine Person, die ziemlich schlank ist und unglaubliche Kraftwerte hat. Im Gegensatz dazu gibt es auch Personen, die viel stärker aussehen, als sie sind. Wie ist das zu erklären? Der Trainingsstil hat einen großen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Kraftzuwachs und Muskelmasse.

Training für den Kraftaufbau hat nicht nur für Sportarten wie Kraftdreikampf eine Berechtigung, sondern ist auch enorm sinnvoll für alle anderen Sportarten und die allgemeine Fitness. Eine gewisse Maximalkraft ist beispielsweise für hohe Sprint- und Sprungkraftleistungen unumgänglich. Weiters spielt eine hohe Maximalkraft eine Rolle bei der Veletzungsprophylaxe. Auch für Personen, die nicht aktiv an Sportarten teilnehmen, bietet ein gewisses Maß an Maximalkraft unglaublich viele Vorteile.

In diesem Artikel geht es vor allem darum, wie man die Maximalkraft steigern kann.

Einflussfaktoren auf die Maximalkraft

Die Maximalkraft ist großteils von neuromuskulären Prozessen abhängig. Viel Muskulatur bedeutet nicht immer gleich eine hohe Maximalkraft, jedoch bedeutet viel Muskulatur ein hohes Potenzial für hohe Kraftwerte. Ob und inwieweit dieses genützt wird, hängt von einigen Faktoren ab.

Hypertrophietraining („Muskelaufbautraining“) bezieht sich auf die Vergrößerung des Muskelquerschnitts durch das Wachstum der Muskelfasern, in diesem Fall ist der Kraftzuwachs nicht das Hauptziel, sondern der Muskelaufbau. Es ist der Prozess, bei dem die Muskulatur aufgrund von Krafttraining oder anderen muskelstimulierenden Aktivitäten an Masse zunimmt. Obwohl Kraft und Hypertrophie miteinander korrelieren, kann im Training ein Fokus auf eines von beiden gesetzt werden. Ein Krafttraining in Form von „IK-Training“ (Intramuskuläre Koordination) kann zu einer Steigerung der Muskelkraft führen, ohne zwangsläufig zu einer großen muskulären Hypertrophie zu führen. Andererseits kann ein Krafttraining in Form von Hypertrophietraining zu einer deutlichen Vergrößerung der Muskulatur führen, ohne, dass zwingend eine große Steigerung der absoluten Muskelkraft damit einhergeht. Durch die Trainingsplanung kann man den Fokus auf eines der beiden legen.

In vielen Sportarten ist vor allem die relative Kraft (Kraft im Verhältnis zum Körpergewicht) entscheidend. Es geht also nicht darum, eine umfangreiche Muskelmasse aufzubauen, sondern eher darum, die Kraft zu steigern, ohne dabei zu viel Muskelmasse zuzulegen.

Abbildung 1: Einflussfaktoren auf die Maximalkraft (Nuckols, 2016)

In der Übersicht ist zu sehen, wie komplex das Thema Maximalkraft ist und das sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Die Muskelgrösse (Muscle Size) ist demnach nur einer von vielen Faktoren. Auf alle Faktoren in der Übersicht einzeln einzugehen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, demnach soll nur möglichst einfach dargestellt werden, dass viele andere Faktoren wie z.B. psychologische Faktoren oder neuromuskuläre Faktoren eine Rolle spielen.

Eine hohe Maximalkraft erreicht man also durch einer guten Kombination aus Hypertrophietraining („Potential erhöhen“) und IK-Training („Potential nutzen“).

Die aktuelle Studienlage zusammengefasst: Was man in Bezug auf das Training für optimalen Kraftaufbau in Form von IK-Training benötigt

Es gilt zu beachten, dass die nachfolgenden „Regeln“ nur Richtwerte sind, bei einigen Punkten gibt es individuelle Unterschiede (je nach Trainingszustand, Alter, usw.) zu beachten.

  1. Intensität, Volumen, Pausenzeiten

Intensität

Die Intensität für optimales Kraftwachstum liegt grundsätzlich bei ca. 85-100% der Maximalkraft. Wenn das Maximalgewicht bei der Kniebeuge demnach 100 kg beträgt, sollte man ca. mit Gewichten zwischen 85-100 kg trainieren.

Je höher der Trainingsstatus ist, desto näher sollte man an der Maximalkraft trainieren, um diese weiter zu steigern.

Daher ist neben einer hohen Bewegungsqualität auch die Bereitschaft, um mit diesen Intensitäten zu trainieren, ein wichtiger Faktor. Das bedeutet auch wenig Vorermüdung (z. B. von vorherigen Einheiten).

Die optimale Wiederholungsanzahl für den Kraftaufbau liegt demnach bei 1-5 Wiederholungen, abhängig von dem Prozentsatz des 1 RM (Repetition Maximum).

„Reps in Reserve“ (RIR) ist ein Konzept, das häufig im Krafttraining und bei der Trainingsplanung verwendet wird. Es bezieht sich auf die Anzahl der Wiederholungen, die eine Person noch ausführen kann, bevor sie während eines Satzes das Versagen erreicht. Zum Beispiel, wenn jemand einen Satz mit 10 Wiederholungen und einem Gewicht durchführt und das Gefühl hat, dass er noch 2-3 weitere Wiederholungen vor dem Versagen hätte ausführen können, beträgt sein RIR 2-3. Für den Kraftaufbau scheint es ideal zu sein mit RIR 1-3 zu trainieren. Trainiert man immer bis RIR 0, also ans Muskelversagen, erzeugt man eine hohe Ermüdung, was (vor allem langfristig) eher kontraproduktiv ist.

Bei RIR 0 muss demnach beachtet werden, dass man weniger Gesamtvolumen „verträgt“. Es sollte immer eine optimale Kombination aus Intensität und Volumen gewählt werden. Training mit „RIR 0“ ist demnach für den Kraftaufbau nicht zu empfehlen. Bei Muskelaufbautraining hingegen soll und kann näher ans Muskelversagen trainiert werden.

Volumen / Satzanzahl

Die Satzanzahl ist natürlich von der Erfahrung abhängig. Die Empfehlungen liegen hier von 3 bis 8 Sätzen pro Muskelgruppe in einem Training. Bei Anfängern reichen in der Regel 3-4 Sätze bei einem zweimaligen Training pro Woche, während es bei Fortgeschrittenen eher 4-6 sein sollten. Die Satzanzahl ist zudem von der Trainingshäufigkeit abhängig (siehe Punkt 2).

Das Optimum bei Fortgeschrittenen liegt bei 10 + Sätzen / Woche (die Empfehlungen reichen bis zu 18 und mehr Sätzen pro Woche). Für Anfänger ist dieses hohe Pensum noch nicht notwendig bzw. nicht empfehlenswert. Bei Fortgeschrittenen liegt die sogenannte „minimal effective dose“ bei etwa 3-6 Sätzen / Woche.

Pausenzeiten

Liegt der Fokus auf Kraftzuwachs, so sollten längere Pausenzeit von mindestens (!) 3 Minuten gewählt werden. Die Pausenzeiten werden von vielen Personen, deren Hauptziel Kraftaufbau ist, suboptimal gestaltet. Oftmals werden bei schweren Grundübungen mit Pausen von 1-2 Minuten trainiert. Da man bei einem hochintensiven Krafttraining viel Ermüdung ansammelt, sollten die Pausenzeiten eingehalten werden. Führt man einen intensiven Kniebeugen Satz mit 3 Wiederholungen und RIR 1-2 durch, wird man diese Intensität bei mehreren Sätzen mit nur 1 Minute Pause kaum über mehrere Sätze aufrechterhalten können (und falls doch, trainiert man höchstwahrscheinlich nicht mit RIR 1-2).

Empfohlen werden in der Regel 3-5 Minuten. Bei der Pausenzeit sollte der externe Load (also das Zusatzgewicht, mit dem trainiert wird) unbedingt berücksichtigt werden. Je höher dieses ist, desto länger sollte die Pause sein. Fortgeschrittene sollten sich demnach eher Richtung 4-5 Minuten orientieren, während Anfänger auch mit 3 Minuten planen können.

2. Frequenz

Studien haben gezeigt, dass eine höhere Trainingsfrequenz, bei der eine Muskelgruppe häufiger als einmal pro Woche trainiert wird (ca. 2-3 Mal), zu größeren Kraftsteigerungen führen kann als bei einem einmaligen Training. Bei der Meta-Analyse von Peterson et al. (2014) erzielten die Personen, die eine bestimmte Muskelgruppe 2 Tage pro Woche trainierten, die höchsten Kraftzuwächse. Dabei wurde mit einem Volumen von 8 Sätze pro Muskelgruppe in der Einheit trainiert. Das ist ein relativ hohes Volumen, in der Studie haben allerdings ausschließlich Leistungssportler aus verschiedenen Sportarten teilgenommen.

Laut Ralston et al (2018) ist vor allem das Gesamtvolumen von entscheidender Bedeutung. Die optimale Trainingsfrequenz kann bei Anfänger 1-2 mal sein und bei Fortgeschrittenen 2-3 mal sein (pro Muskelgruppe). Profis und vor allem Kraftsportler auch 4-5 mal.

Empfehlungen reichen demnach je nach Trainingsstatus und Volumen von 1-5x pro Woche (pro Muskelgruppe), was ein relativ großer Range ist. Für die meisten Personen ist eine Frequenz von 2x pro Woche pro Muskelgruppe ein guter Richtwert.

3. Übungsauswahl

Mehrere Studien haben gezeigt, dass Verbundübungen, die mehrere Muskeln und Gelenke einbeziehen (z.B. Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken, Schulterdrücken), effektiver sind, um die Kraft zu steigern, im Vergleich zu isolierten Übungen.

Es eignen sich bei einem Training mit hohen Gewichten eher bilaterale Übungen, damit der koordinative Aspekt nicht zu groß wird.

Grundsätzlich gilt:

Die Übungsauswahl sollte spezifisch für die Bewegung sein, in der man die Kraft steigern möchte. Für einen Kraftdreikämpfer sind dies vor allem die Übungen Kniebeugen, Kreuzheben und Bankdrücken. Je nach Sportart kann es aber auch sinnvoll sein, andere Übungen im Training einzusetzen.

4. Periodisierung

Wer den Fokus auf den Kraftaufbau setzen möchte, bei dem lohnt es sich, die anderen Reize (vor allem Ausdauertraining) zu reduzieren. Bezugnehmend auf den Beitrag „Concurrent training“ lässt sich feststellen, dass die Adaptionen an Kraftreize bei zu viel gleichzeitigem Ausdauertraining vermindert stattfinden. Dieses sogenannte „Interferenzphänomen“ tritt vor allem bei Fortgeschrittenen auf.

Es ist also ab einem gewissen Niveau unumgänglich, eine vernünftige Zyklisierung bzw. Trainingsplanung vorzunehmen. Demnach sollten bei Phasen, wo der Kraftaufbau im Vordergrund liegt, Ausdauerreize und andere Krafttrainingsmethoden reduziert werden. Wichtig: Ein gewisses Maß an Ausdauertraining wirkt sich positiv aus, da die allgemeine Fitness verbessert wird. Ausdauertraining ganz zu vermeiden ist demnach nicht ratsam.

Es scheint, dass bei zu viel konkurrierenden Reizen die Kraft bei hohen Geschwindigkeiten mehr betroffen ist als die Kraft bei niedrigen Geschwindigkeiten. Daher könnte man vermuten, dass Kraftverluste aus der Geschwindigkeit der Kraftentwicklung resultieren. Somit scheint die Explosivkraft ein wichtiger Aspekt zu sein, der bei gleichzeitigem Training von Ausdauer und Kraft berücksichtigt werden sollte.

Wenn Ausdauertraining während einer Trainingsphase, in der die Kraft gesteigert werden soll, durchgeführt wird, so eignen sich Radfahren oder Schwimmen eher als Laufen, da es zu weniger muskulären Schäden kommt.

Wenn beides gemeinsam trainiert werden soll/muss, sollte das Training zeitlich getrennt sein (vor allem, wenn die Beine trainiert werden).

Nach einer bestimmten Trainingsphase sollten sogenannte Deload Phasen eingeplant werden. Unter einem Deload versteht man Phasen mit geringerer Intensität, Volumen oder Frequenz. Das Ziel dabei ist die Regeneration von angesammelter Ermüdung über die Trainingsphase. Wie stark dieser Deload ausfällt, ist wieder individuell zu entscheiden, diese reichen von einer minimalen Reduktion bis hin zu einer kompletten Trainingspause. Die meisten Deload Phasen dauern in etwa 1 Woche.

5. Progressive Overload

„Progressive Overload“ ist ein zentrales Prinzip im Krafttraining. Es besagt, dass die Belastung während einer Trainingsphase stetig erhöht werden muss, da der Körper sich stetig an die Belastungen anpasst. Über einen Trainingszyklus gesehen muss sich demnach das Gewicht, die Wiederholungszahlen oder die Intensität der Übungen steigern. Durch diese fortschreitende Belastungssteigerung passt sich der Körper an und entwickelt sich stärker, um den gesteigerten Anforderungen gerecht zu werden. Bei einem Training zur Steigerung der Maximalkraft ist das vorrangige Ziel die Steigerung des Gewichts.

Kurz und knapp zusammengefasst – wie kann ich meine Maximalkraft steigern?

Die Maximalkraft ist also von verschiedenen Faktoren abhängig, nicht nur von der Muskelgröße. Ein gezieltes Kraftaufbautraining kann nicht nur für Sportler, sondern auch für die allgemeine Fitness von großer Bedeutung sein. Durch die Berücksichtigung der vorgestellten Trainingsprinzipien, wie Progressive Overload und angemessene Deload-Phasen sowie die optimale Gestaltung der einzelnen Trainings, also der Wiederholungsanzahl, Pausen, usw., kann das Training optimal angepasst werden.

Je nach Trainingsstatus – Richtwerte für ein „IK-Training“:

  • 2-3 Einheiten pro Muskelgruppe / Woche
  • Hohe Intensitäten (ca. 85%-100% Fmax)
  • 1-5 Wiederholungen mit 1-3 RIR
  • 3-5 Minuten Pause
  • 3-6 Sätze / Muskelgruppe / Training
  • Übungsauswahl je nach Zielsetzung; Grundübungen eignen sich besser
  • Achtung auf konkurrierende Reize (Ausdauertraining sollte gut geplant werden)
  • Deload Phasen einplanen
  • Auch Hypertrophie-Zyklen einplanen, um Potential zu erhöhen

Dieser Artikel soll lediglich einen Anhaltspunkt geben, wie man seine Maximalkraft optimal verbessern kann. Wichtig zu beachten ist, dass jeder individuell ist, und es von entscheidender Bedeutung ist, auf den eigenen Trainingszustand und Fortschritt zu achten, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Quellen

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Duchateau, J., Stragier, S., Baudry, S., & Carpentier, A. (2021). Strength Training: In Search of Optimal Strategies to Maximize Neuromuscular Performance. Exercise and Sport Science Reviews, 49(1), 2-14. doi:10.1249/jes.0000000000000234

Helms, E. R., Cronin, J., Storey, A., & Zourdos, M. C. (2016). Application of the Repetitions in Reserve-Based Rating of Perceived Exertion Scale for Resistance Training. Strength Cond J, 38(4), 42-49. doi:10.1519/ssc.0000000000000218

Kadlec, D., & Groeger, D. (2020). Athletiktraining in der Sportphysiotherapie: Die besten Übungen für Kraft, Schnelligkeit und Stabilität: Georg Thieme Verlag.

Nuckols G (2016). Size vs. Strength: How Important is Muscle Growth For Strength Gains? https://www.strongerbyscience.com/size-vs-strength/. Zugriff am 03.08.2023.

Peterson, M. D., Rhea, M. R., & Alvar, B. A. (2004). Maximizing strength development in athletes: a meta-analysis to determine the dose-response relationship. Journal of strength and conditioning research, 18(2), 377-382. doi:10.1519/r-12842.1

Pürzel, A. (2023, 27. März). Optimale Trainingsplanung – Muskel- und Kraftaufbau [Webinar]. Veranstaltet von EINS-A Coaching OG.

Ralston, G. W., Kilgore, L., Wyatt, F. B., Buchan, D., & Baker, J. S. (2018). Weekly Training Frequency Effects on Strength Gain: A Meta-Analysis. Sports Medicine Open, 4(1), 36. doi:10.1186/s40798-018-0149-9

Schoenfeld, B. J., Pope, Z. K., Benik, F. M., Hester, G. M., Sellers, J., Nooner, J. L., . . . Ross, C. L. (2016). Longer interset rest periods enhance muscle strength and hypertrophy in resistance-trained men. Journal of strength and conditioning research, 30(7), 1805-1812.

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Autor: Alexander Wassung 

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