Die Kraft der Kälte

Kälteanwendungen in Form von kalt duschen, Eisbaden oder sogar Eisschwimmen erlangen in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit. Es kommen immer mehr Studien zu diesem Thema und die Effekte können immer besser erklärt werden. Zahlt sich die kalte Dusche oder auch der Sprung ins kalte Wasser wirklich aus?

Vorneweg:

Wenn Kaltwasserschwimmen von erfahrenen Menschen mit guter Gesundheit in einem regelmäßigen, abgestuften und angepassten Modus praktiziert wird, scheint es gesundheitliche Vorteile zu bringen.

Es mehren sich die Hinweise, dass Winterschwimmer widerstandsfähiger gegen bestimmte Krankheiten und Infektionen sind und diese seltener und milder verlaufen. Es gibt sogar eine niederländische Studie, die zeigt, dass Kaltduscher um bis zu 29 Prozent weniger krank werden.

Ein Niederländer Namens Wim Hof behauptet sogar eine Methode, bei der Atemübungen, Meditation und Kälteanwendungen kombiniert werden, erfunden zu haben, mit der man Autoimmunerkrankungen heilen und das autonome Nervensystem steuern kann. Diese Aussagen sollten allerdings mit Vorsicht genossen werden, da dies noch nicht ausreichend belegt ist. Trotzdem gibt es auch Untersuchungen an Wim Hof selbst, die sehr interessant sind.

Dr. Susanne Søberg, eine Wissenschaftlerin aus Dänemark, die sich auf Kälteexpositionen spezialisiert hat, behauptet sogar, wir verwöhnen unseren Körper zuviel mit Wärme und gewöhnen uns zu sehr dran.

In diesem Artikel soll auf die positiven Wirken der Kälte eingegangen werden und wie sich diese Wirkungen erklären lassen. Weiters werden Empfehlungen für die Praxis gegeben, für Personen, die mit Kälteexposition beginnen möchten.

Wirkung der Kälte und dahinterliegende Mechanismen

Körperzusammensetzung

  • Erhöhung von braunem Fettgewebe, welches für Wärme sorgt
  • Erhöhung von Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen)

Da ausgeschüttete Noradrenalin (Neurotransmitter) aktiviert das braune Fettgewebe, welche Zucker und Fette als Energielieferant nutzt, um zu „heizen“.

Dadurch bildet der Körper eventuell auch mehr Mitochondrien, welche oft als Kraftwerke der Zellen bezeichnet werden. Braunes Fettgewebe hat eine höhere Mitochondrien Anzahl als weißes Fettgewebe.

Herz-Kreislauf-System

  • Blutdruck-Reduktion
  • Verbessertes Lipidprofil im Blut (Abnahme von Tryglizeriden)

Bei Kälte stoppt der Körper den Blutfluss zu weniger lebenswichtigen Körperteilen, damit die Körpertemperatur nicht unter 35 Grad fällt. Demnach wird gewährleistet, dass die wichtigen Organe genügend Blut erhalten, um weiterarbeiten zu können. Wird der Körper im Anschluss wieder aufgewärmt, öffnen sich die Blutgefäße wieder und die Durchblutung normalisiert sich. Kältetraining kann somit als Gefäßtrainng angesehen werden. Dadurch kann auch der Blutdruck verringert werden. Das verbesserte Lipidrofil ist auf die Aktivierung des braunen Fettgewebes zurückzuführen.

Psyche und Hormone

  • Antidrepressiver Effekt
  • Erhöhte Stresstoleranz
  • Erhöhte Aufmerksamkeit, Energie und bessere Laune
  • Positive Auswirkung auf Insulinstoffwechsel
  • Gewöhnung an Kälte

Aufgrund des Anstiegs der Katecholamine (Neurotransmitter) könnte Kaltwasserschwimmen eine Behandlung für Depressionen sein, da es das sympathische Nervensystem aktiviert und die Konzentration von Noradrenalin und β-Endorphin erhöht .Dieser Mechanismus ist auch auf die verbesserte Laune und die erhöhte Aufmerksamkeit zurückzufuhren. Auch die erhöhte Stresstoleranz ist durch die Ausschüttung von Stresshormonen zurückzuführen, wobei langfristig die Neurotransmitter, die für Stress verantwortlich sind, verringert werden.

Die positiven Auswirkungen auf die Insulinsensitivität sind wiederum auf das braune Fettgewebe zurückzuführen, welches Energie aus überschüssigen Fettsäuren und Glukose gewinnt. Da die Bauchspeicheldrüse bei Kälte nicht mehr Insulin produziert, der Körper jedoch trotzdem Energie aus Glukose verwendet, kann der Blutzuckerspiegel gesenkt werden.

Entzündungen und Regeneration

  • Hemmung von Entzündungen
  • Verringerte Muskelerschöpfung nach Sport (subjektiv – kann auch kontraproduktiv wirken)

Hemmung von Entzündungen durch Senkung entzündungsrelevanter Zytokine (vermehrte Bildung von Antioxidantien bzw. Radikalfänger).

Wichtig: Der Effekt der verringerten Muskelerschöpfung kann auch kontraproduktiv sein, da Entzündungsmarker, die die Regeneration positiv beeinflussen, ebenfalls gehemmt werden. Weiters bedeuten intensive Einheiten für den Körper Stress und der Cortisolspiegel ist erhöht, wenn man im Anschluss den Körper mit einem Eisbad weiter stresst, kann dies zu viel auf einmal sein und den Körper und vor allem das Immunsystem schwächen. Die verbesserte Regeneration ist meist auf das verbesserte subjektive Empfinden zurückzuführen. Demnach ist keine eindeutige Aussage zu treffen, wann eine Eisbad nach dem Sport Sinn macht – ich persönlich würde es nach dem Sport eher meiden.

Immunsystem

  • Vermehrte Produktion von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) – eventuell nur kurzfristig

Dieser Effekt wird vielfach diskutiert. Die vermehrte Produktion von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) ist auf die Aktivierung des Immunsystems zurückzuführen. Viele Studien haben diesen Effekt direkt nach der Kälteanwendung untersucht. Ob die Anzahl der Leukozyten durch Kälte langfristig erhöht werden kann ist noch unklar, da es in beide Richtungen Untersuchungen gibt. Die Anfangs genante Niederländische Studie fand keine Veränderung der Leukozyten im Blut. Kurzfristiger physiologischer Stress wie Kälteexposition können das Immunsystem jedoch auf die Bekämpfung von Infektionen vorbereiten.

Jetzt wird es interessant

Es gibt sogar erste Hinweise darauf, dass Kälteexposition das Krebsrisiko senken könnte. Braunes Fettgewebe kann Krebszellen im Körper aushungern, da beide Glukose brauchen. Es gibt erste Untersuchungen bei Mäusen die die Vermutung bestätigen, bei Menschen wurde eine Untersuchung mittels Verringerung der Raumtemperaturen gemacht. Das sind aber nur erste Hinweise und Vermutungen, dazu ist noch viel Forschung nötig, es reicht noch nicht um diesen Aspekt als positiven Effekt zu bezeichnen.

Was man beachten sollte und praktische Umsetzung

Nicht untrainiert, zu lange extremer Kälte aussetzen, dann kann es tatsächlich zu einem sogenannten Kälteschaden kommen. Daher sollte man sich langsam an Kälte gewöhnen, ähnlich wie man beim Krafttraining langsam das Gewicht steigert.

Menschen mit kardiovaskulären Krankheiten sollten Kälteanwendungen mit Vorsicht genießen und am besten vorher einen Kardiologen konsultieren. Auch für gesunde Personen empfiehlt es sich vorher zur Sicherheit eine Untersuchung des Herz-Kreislaufsystems zu machen.

Während eine kurzfristige Exposition in kaltem Wasser die Aktivität des Immunsystems sicherlich verbessern kann, kann eine wiederholte Exposition ohne ausreichende Erholung tatsächlich zu einer verminderten Immunfunktion führen. Man kann es demnach natürlich auch übertreiben und sollte auf seinen Körper hören. Es ist wohl auch selbsterklärend, dass bei Erkältungssymptomen oder beispielsweise Fieber keine Kälteexposition durchgeführt werden sollte.

Obwohl mehrere Faktoren zu den potenziellen gesundheitlichen Vorteilen oder Risiken beitragen, ist immer noch unklar, wie die optimale Dosis aussehen könnte, was durch die individuellen Unterschiede in der physiologischen Reaktion noch verstärkt wird. Dr. Susanna Søberg empfiehlt bis zu 11 min Kälteexposition pro Woche , auf mehrere Male verteilt. Die Temperaturen sollte so gewählt sein, dass man ohne Hyperventilation drin aushält (also sehr individuell). Unkontrolliertes hyperventilieren sollte unbedingt vermieden werden. Man sollte unbedingt versuchen durch die Nase zu atmen.

Wirklich hohe Risiken sind insbesondere beim Eisschwimmen in Form von Wettkämpfen zu befürchten oder auch plötzliche, extreme Kälte ohne vorherige Vorbereitung.

Wichtig: Danach nicht warm duschen, der Körper soll sich selbst wieder erwärmen.

Das Fazit dieses Beitrags ist demnach, dass bei vernünftiger und angepasster Dosierung die Kälteexposition eindeutige Vorteile mit sich bringen kann.

Quellen:

De Jong, K., & Hof, W. (2022). Nie wieder krank. Gesund, stark und leistungsfähig durch die Kraft der Kälte. München: Riva.

Foerster, C.,Søberg S. (2022). Eisbaden & Co – die Kraft der Kälte oder warum wir uns nicht in Watte packen sollten [Audio Podcast]. In Frei raus – Abenteuer fürs Leben.

Graf, S., & Kerkeling, R. (2021). Fitness fürs Immunsystem. Wie Ausdauersport die Abwehrkräfte stärkt. Bielefeld: Delius Klasnig & Co KG.

Higgins, T., Greene, D., & Baker, M. (2017). Effects of cold water immersion and contrast water therapy for recovery from team sport: a systematic review and meta-analysis. The Journal of Strength Conditioning Research, 31(5), 1443-1460.

Knechtle, B., Waśkiewicz, Z., Sousa, C. V., Hill, L., & Nikolaidis, P. (2020). Cold water swimming—benefits and risks: A narrative review. International journal of environmental research public health, 17(23), 8984.

Machado, A. F., Ferreira, P. H., Micheletti, J. K., de Almeida, A. C., Lemes, Í. R., Vanderlei, F. M.,  Pastre, C. M. (2016). Can water temperature and immersion time influence the effect of cold water immersion on muscle soreness? A systematic review and meta-analysis. Journal of sports medicine, 46(4), 503-514.

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Autor: Alexander Wassung 

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